Laut Wetterbericht soll sich die stabile Schönwetterlage der letzten vier Wochen rechtzeitig zum Tourbeginn
verabschieden. Und tatsächlich setzt bereits bei der ersten Auffahrt zum Plumsjoch Regen ein, der bis zur Ankunft
im Inntal nicht mehr aufhört. Am nächsten Tag Dauerregen, ab 2000 Meter schneit es, am Gaiseljoch liegen zwei
Zentimeter Neuschnee und auch die Etappe ab Hintertux beginnt mit Nieselregen, bevor sich am Brenner endlich
mal die Sonne zeigt. über den Schneeberg geht es dann bei halbwegs guten Bedingungen, das Eisjöchl liegt wieder
in Wolken, in der Nacht hat es erneut geschneit.
Insgesamt hatte ich wohl bisher auf keiner Tour so viele Tage mit ungünstigen Wetterverhältnissen, nie waren die
Gegensätze so extrem: 4°C am Eisjöchl, drei Stunden später 35°C im Vinschgau; 3°C, eisiger Wind, Sichtweite 20 Meter
am Grand Col Ferret auf 2500 Metern, eine Stunde später auf 1000 Metern 25°C Grad bei herrlichem Sonnenschein.
Niemals zuvor habe ich mich unterwegs so oft umgezogen.
Dennoch mußte ich nur zweimal von der ursprünglich geplanten Strecke abgeweichen. Aus dem Vinschgau sollte es
eigentlich dichter am Ortler vorbei über das 3123 Meter hohe Madritschjoch zum Stilfser Joch gehen und das etwa
90 Kilometer lange Flachstück zwischen Poschiavo und Gravedona durch das Adda-Tal sollte mit dem Abstecher in
die Bernina-Alpen über den Passo Canciano abwechselungsreicher gestaltet werden.
Die Entscheidung gegen den Passo Canciano fiel bereits vor der Abfahrt ins Poschlav am Passo Val Viola. Von dort
war gut zu erkennen, daß die gesamte Bernina in dichten Gewitterwolken hing. Die Alternative wäre die Originalroute
durch das Adda-Tal gewesen. Diese erledigte sich als die Schlechtwetterfront auch das Tal erreichte. So erhielt
die Bahn den Zuschlag. Ab Poschiavo ging es mit dem Bernina-Express über das Kreisviadukt bei Brusio nach Tirano
und weiter mit Trenitalia bis Colico am Comer See. Es folgten noch 18 Kilometer mit dem MTB um die Nordspitze
des Comer Sees zum Etappenziel Gravedona, natürlich ebenfalls im Regen. Unterwegs hatte ich einmal die Befürchtung
auf eine Autobahn auf zu fahren, der Blick in die Karte zeigte aber, daß es sich um eine ganz normale Strada
Statale handelte.
Das Auslassen des Madritschjochs hatte zur Folge, daß ich erstmalig die komplette Paßstraße ab Prad hoch zum Stilfser
Joch gefahren bin. Kurz hinter Prad wurde ich von einer etwa zehnköpfigen Rennradgruppe überholt. Immerhin drei von
ihnen habe ich in der vorletzten Kehre vor Paßhöhe eingeholt, wohl nicht so ganz schlecht mit Mountainbike und
Alpengepäck. Dafür dürften andere Straßenfahrer aber auch bereits nach der halben Zeit die Paßhöhe erreicht haben.
Besonders aufgefallen am Stilfser Joch ist mir ein Biker mit einem Tourenrad, dessen einziges Gepäckstück eine Windjacke
auf dem Gepäckträger war und der in atemberaubender Geschwindigkeit an mir vorbei zog. Als er kurze Zeit später eine
Auszeit nimmt, schließe ich wieder auf, das Spiel beginnt von vorne. Einige Kilometer weiter oben wiederholt sich
ähnliches mit einem belgischen Pkw. Erst nach ein paar weiteren Kehren begreife ich das Spielchen. Bei dem Pkw handelt
es sich um den Servicewagen des Tourenradlers, der, grundsätzlich erst mal nicht völlig falsch, immer von Kehre zu
Kehre denkt und scheinbar auch fährt.
Absolute Höhepunkte der Tour waren die Abfahrten vom Schneeberg und vom Eisjöchl, erneut der Trail von der Dreisprachenspitze
über die Bocchetta di Forcola und das Piano di Pedenolo zum Lago di Cancano und natürlich die Pässe am Gran Paradiso
in den Westalpen mit der 2500-Höhenmeter-Auffahrt zum Finestra di Champorcher und dem fast 3300 Meter hohen Col Lauson.
Ebenfalls ein Highlight wäre bei besseren Verhältnissen auch die Etappe am Mont Blanc über den Col de Chavannes mit der
anschließenden Abfahrt durch das Val Veny gewesen.
Wichtigster Gegenstand war in jedem Fall der Fön im Hotelzimmer, wobei dieser ausschließlich benötigt wurde, um Schuhe und
sonstige Ausrüstungsgegenstände trocken zu legen.
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